Der Schmiechener See
Eines der bemerkenswertesten Naturschutzgebiete Baden Württembergs
Der Schmiechener See: Leben zwischen Hochwasser und Austrocknung
Autor: Dr. Joachim Kuhn
Obwohl nur 50 ha groß ist der Schmiechener See eines der bemerkenswertesten Naturschutzgebiete Baden-Württembergs und dies nicht allein wegen seiner Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch mit Blick auf die Geologie und Hydrologie.
Als "astatischer Flachsee" repräsentiert er einen in Mitteleuropa sehr seltenen Gewässertyp und ist deshalb international bedeutsam.
Der Schmiechener See liegt in einer bis zu 35 m mächtigen Seeton- und -mergelschicht in einem Mäander des eiszeitlichen Ur-Donautales. Das flache Gewässer wird nicht, wie man früher angenommen hat, von Karstwasser gespeist, sondern einerseits von Oberflächenwasser das aus dem Siegentalzufließt, anderseits direkt vom Niederschlag.
Ein oberirdischer Abfluss existiert nicht. Der Wasserstand schwankt außergewöhnlichstark und ohne Regelmäßigkeit; weite Teile fallen zeitweise trocken.Schneeschmelze und ergiebige Landregen, lassen den See anschwellen; er ist dann an der tiefsten Stelle etwas über 2 m tief und bedeckt ca. 50 ha, bei extremem Hochwasser kann er auf über 75 ha anwachsen.
Der "Sai", wie der Schmiechener See von den Einheimischen genannt wird, ist die meiste Zeit mehr Sumpf als See. Freie Wasserflächen gibt es nur wenige, der überwiegende Teil ist von Großseggenrieden, Röhrichten und zunehmend von Weidengebüschen bewachsen. Die zeitweise überschwemmten Randbereiche, die noch vor wenigen Jahrzehnten als Äcker und Futterwiesen bewirtschaftet wurden, sind besonders vielfältige Lebensräume, deren Bewuchs von Jahr zu Jahr wechseln kann. Vor allem die Kammseggen-Sumpfwiesen und die Schlammböden wechselnasser Ackerbrachen sind gespickt mit ausgesprochenen Raritäten.
198 Vogelarten wurden am Schmiechener See schon beobachtet, 52 davon als Brutvögel.Für Zwergtaucher, Krickente, Knäkente und Tüpfelsumpfhuhn zählt der See zu den wichtigsten Brutgebieten in Baden-Württemberg. Manche Sumpfbrüter erreichen im Schmiechener
See die höchsten überhaupt bekannten Siedlungsdichten. In den letzten 15 Jahren ist die Brutvögelfauna allerdings erheblich ärmer geworden. Einst kennzeichnende Arten haben nicht mehr gebrütet - so die Bekassine, die früher derart zahlreich vorkam, dass sie den Ansässigen wegen der meckernden Geräusche beim Balzflug als "Saimäggler" bekannt war.
Die Amphibien sind mit acht Arten vertreten, drei weitere sind verschwunden.
Die Bestände mehrerer Froschlurche sind auch heute noch die größten der Region und weit darüber hinaus.
Eine Reihe bundesweit bedrohter Libellenarten kommt in großen, überregional wirksamen "Spender" -Populationen vor. Über ein Viertel der festgestellten 42 Libellenarten haben mediterrane Verbreitungsschwerpunkte Ungeachtet der zeitweiligen Austrocknung leben mindestens 21 Wassermollusken (Wasserschnecken und Muscheln) im "See", dazu etliche feuchtebedürftige Landschneckenarten. Wegen der extremen Wasserspiegelschwankungen ist die wasserlebende Kleintierfauna hochspezifisch mit zahlreichen Kostbarkeiten.
Auch die Pilzflora zeichnet sich durch hochkarätige Seltenheiten aus. Die Liste der Farn- und Blütenpflanzen umfasst 333 Arten. Darunter sind arealkundlich interessante Stromtalpflanzen und Glazialrelikte.
Der Schmiechener See ist der einzige Wuchsort des Weiherveilchens (Viola persicifolia) und der Teichbinse (Schoenoplectus supinus) in Württemberg. Besonders bedeutsam sind auch Vorkommen des Knoblauchgamanders (Teucrium scordium) und des schmalblättrigen Laichkrauts (Potamegeton x zizii). Von mindestens einer Art - der kugelfrüchtigen Binse (Junkus sphaerocarpus) - lebt die weltweit wohl größte Population am Schmiechener See. Deutschland ist in ganz besonderem Maß für die Erhaltung dieser Art verantwortlich. 43 Gefäßpflanzen stehen auf den Roten Listen der gefährdeten Arten Baden-Württembergs und / oder Deutschlands. Einige dieser Rote-Listen-Arten sind am Schmiechener See allerdingsbereits ausgestorben.
Der Schmiechener See hat auch heute noch eine sehr hohe Bedeutung für den Naturschutz, die aber nur durch fachgerechte Lebensraumpflege und Lebensraumentwicklung erhalten werden kann.
Tipp: Wanderungen zum Schmiechener See beginnen am besten am Parkplatz bei den Schmiechener Sportanlagen. Die beste Zeit für Vogelbeobachtungen liegt zwischen Mitte April und Anfang Juni. Aber auch alle anderen Monate sind gut für Überraschungen - besonders in nassen Jahren, wenn der Sai ein See ist.